Rede zur Trauerfeier am 09.10.2010 – Ralf Becker

Liebe Familie Thamm,
liebe Freunde und Kollegen von Michael,
liebe Trauergemeinde, Trauergemeinschaft,

ich stehe und spreche hier stellvertretend. Stellvertretend für all diejenigen, die mit Michael zusammenarbeiten durften. Ich stehe also hier für die Arbeitswelt. Aber ich habe schnell festgestellt, dass Michael bei der Arbeit nicht anders war als sonst.
Weil er sich eben nicht verstellt hat!
Also möchte ich gern ein bisschen Erzähler sein. Erzähler von Erlebnissen, die andere mit ihm hatten und Erzähler von Eindrücken, die andere von ihm hatten. Ich habe also Freunde und Kollegen gefragt, was sie wohl zu erzählen haben.

Einer sagt:
„Michaels Geschichte mit dem WDR war geprägt vom Gespräch. Dem hat er sich nie verweigert, da ist er manchmal über seine Schmerzgrenze hinausgegangen, weil er zerschnittene Tischtücher nicht wollte. In Konflikten hat er selten die Machtfrage gestellt, er hat mehr ans bessere Argument geglaubt als an die bessere Position in der Hierarchie.
Wenn Michaels Bürotür einmal geschlossen war, dann hat er sich dahinter Zeit genommen fürs intensive Gespräch mit einem Menschen.
Sooft ich mit ihm über Menschen gesprochen habe, habe ich ihn nie urteilen hören. Für mich ist er darin ein Vorbild an Führungskultur.“

Eine Kollegin erinnert sich an Konferenzen mit anderen Studioleitern:
„In vielen Sitzungen hab ich Michael auch ganz still erlebt, er hat lange, lange zugehört, musste nie vorschnell zu allem etwas sagen, hat eben erst mal zugehört, und dann etwas gesagt – kurz um: er gehörte, und das war wohltuend , nicht zu denen, die sich immer in den Vordergrund drängen.“

Ein anderer Studioleiter-Kollege sagt:
„Michael gab mir mit wenigen Worten und seinem Blick stets das Gefühl, dass wir auf einer Wellenlänge lagen. Er hörte zu und verstand, zeigte ehrliches Interesse, verbreitete das Gefühl aufrichtiger Zuwendung. Da es offensichtlich nicht nur mir so ergangen ist, muss es wohl an Michael gelegen haben.“

Eine ehemalige Mitarbeiterin erzählt von:
„zwei bis drei Nachhauseweg-Gespräche über Gott und die Welt, bei denen Michael uns jedes Mal auf der August-Bebel-Straße ein Eis gekauft hat, für das es längst viel zu kalt war, weil mindestens schon November.
Wir gingen und redeten, und ab und zu fragte Michael, ob ich nicht mal abbiegen müsse. Und weil die Gelegenheit selten und das Gespräch gut war, habe ich immer beteuert, nööö, liegt alles auf dem Weg, und bin immer noch einen Abzweig weiter mitgegangen, und noch einen, und noch einen.
Ich habe ihm nie gesagt, dass ich in Wirklichkeit deswegen einen Mordsumweg nehmen musste…“

Eine liebe Freundin, die mit ihm in Afrika zusammengearbeitet hat, erzählt folgendes:
„Ich habe noch nie einen Menschen kennengelernt, für den das Schenken so selbstverständlich war. Kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten gehörten zu seinem Alltag – in Afrika waren seine Taschen voll mit Maus-Ansteckern und Aufklebern, die er unter den Kindern verteilte; als seine Team-Leiterin fand ich morgens, vor einem harten Tag, mal den kleinen blauen Elefanten, mal ein Buch über afrikanische Weisheiten vor meiner Hotelzimmertür. Stille Zeichen seiner Unterstützung.
Wir lernten uns als Kollegen in Ghana kennen, wo er mit 51 den großen Sprung aus der Redaktion ins Sabbatjahr geschafft hatte. Er war ein Journalistentrainer, der Ehrfurcht und Respekt nicht einfordern musste. Diese flossen ihm mühelos zu, auch wenn niemand in Afrika „Mr. OWL“ kannte.“

Ich selbst habe in den vergangenen Wochen und Monaten auch viel an Michael gedacht und über ihn nachgedacht. Dabei fielen mir sehr intensive Gespräche aber auch Kleinigkeiten ein. Zum Beispiel der Rhababersaft, den er in Kneipen oder Restaurants immer wieder bestellte, aber nur selten serviert bekam – Sie hatten halt keinen.
Ich habe nur acht Monate mit Michael zusammengearbeitet. Aber für mich acht wichtige Monate. Sie haben viele Spuren bei mir hinterlassen, und wir sind Freunde geworden. In Michaels Büro brannte abends oft lange das Licht. Und immer öfter auch bei mir. Im Studio war niemand mehr und unsere Bürotüren waren offen, nur durch den Flur getrennt.
Irgendwann legte Michael dann eine CD in sein Computerlaufwerk, drehte die uralten Boxen von seinem PC voll auf und trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch herum. Ein bisschen den Dampf ablassen, der sich über den Tag angestaut hatte.
Oft war es Roger Cicero, der da durch die Lautsprecher knallte. Ich mag Roger Ciceros Musik nicht. Nicht mein Geschmack. Aber an diesen Abenden habe ich Roger Cicero richtig gern gehört.

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